Diana aus der Ukraine: „Ich hätte zu Hause immer Angst, dass der Krieg zurückkommt“

Dianas Familie kam aus Odessa nach Câmpulung in Rumänien (Quelle: Christian Nusch)

Diana (10) ist mit ihrer Familie aus der Ukraine nach Rumänien geflohen.

Weil sie drei Kinder sind, durfte auch der Vater mitkommen. Diana möchte am liebsten für immer hierbleiben. Der Einschlag von Bomben und Raketen in ihrer Heimatstadt Odessa in der Ukraine hat sie so schockiert, dass sie Angst hat, zurückzukehren.

Text: Katharina Nickoleit, Fotos: Christian Nusch

„Diana geriet bei jeder Rakete, die über die Stadt flog und irgendwo einschlug, in Panik“, erinnert sich ihre Mutter Kristina. „Wir sagten uns, so können wir nicht leben, packten das Notwendigste zusammen und verließen Odessa, so schnell es ging.“ Die Entscheidung, die Heimat zu verlassen, fiel dieser Familie leichter als anderen Familien in dem Projekt in Câmpulung, das vom Kindernothilfepartner Caritas betrieben wird. Weil die Familie insgesamt drei Kinder hat, durfte auch Vater Andriy ausreisen. Bei allen anderen Familien mussten die Mütter alleine mit ihren Kindern vor den Bomben fliehen.

„Als wir fortgingen, war ich einerseits froh, weil ich die ganze Zeit so viel Angst hatte. Aber ich war auch traurig, weil ich meinen Kater zurücklassen musste. Ich hoffe, meine Tante kümmert sich gut um ihn.“ Diana zeigt auf ihrem Handy ein Bild von ihrem Kater Vasil. Sie freundet sich langsam mit einer der Straßenkatzen an, die manchmal durch den Garten des Kirchengeländes streift, auf dem die Geflüchteten untergebracht sind. „Sie wird allmählich zutraulich, aber es ist nicht dasselbe!“

„Wir sagten unseren Geschwistern, dass es hier friedlich ist und alle freundlich sind“

Die Familie von Diana und Daniil war die Ersten aus der Familie, die nach Rumänien geflüchtet sind. „Nachdem wir hier ankamen, sagten wir unseren Geschwistern zu Hause, dass es hier friedlich ist, alle freundlich sind und dass sie nachkommen sollen, um ihre Kinder in Sicherheit zu bringen“, erzählt Vater Andryi. Außer der Tante und dem Großvater sind inzwischen alle Mitglieder der Großfamilie, die Kinder haben, aus Odessa nach Câmpulung gekommen. Sie alle leben nun gemeinsam im Auffangzentrum des Kindernothilfepartners. Jede Familie hat ein kleines Zweizimmerapartment, gekocht und gegessen wird gemeinsam.

Das Handy ist die einzige Verbindung in die Heimat (Quelle: Christian Nusch)

Das Handy ist die einzige Verbindung in die Heimat (Quelle: Christian Nusch)

Die Kinder werden gerade auf die rumänische Schule vorbereitet, damit sie Rumänisch nicht nur sprechen, sondern auch die lateinische Schrift lernen. „Das ist ziemlich viel und ganz schön schwierig“, meinen Diana und Daniil. Die Mutter arbeitet im Restaurant, der Vater kümmert sich auf dem Bauernhof um die Kühe. Beides gehört zum Caritas-Projekt. „Ich bin sehr froh, dass ich mich jeden Tag im Stall etwas von den Sorgen ablenken kann“, meint Andryi – und ist wohl auch froh, nicht den ganzen Tag der Ersatzvater für 16 Kinder zu sein, die allesamt die Aufmerksamkeit des einzigen Mannes im Auffangzentrum einfordern.

Keiner wird nach Hause geschickt – das ist ein Versprechen

Doch wie geht es weiter? Solange es nötig ist, können alle Geflüchteten bleiben. Keiner wird nach Hause geschickt, auch dann nicht, wenn die Kämpfe aufhören, aber die Lage noch nicht sicher ist oder womöglich das Haus nicht mehr steht. Das ist ein Versprechen, dass die Mitarbeitenden jeder einzelnen Familie gegeben haben. Kristina und Andriy sehnen den Tag herbei, an dem sie zurückkönnen, aber Diana würde am liebsten für immer in Rumänien bleiben. Der Schock darüber, dass daheim Bomben fallen, sitzt tief. „Ich hätte zu Hause immer Angst, dass der Krieg zurückkommt. Nur hier fühle ich mich sicher.“

Daniil will zurück, sowie der Krieg vorbei ist. Aber wird es dann noch ein Zuhause sein? Der Junge zuckt die Schultern. „Als wir noch Onlineunterricht hatten, hatte ich jeden Tag Kontakt zu meinen Freunden. Aber der wird jetzt immer weniger, und wer weiß, wie lange es nach dem Krieg dauert, bis alle zurück sind.“ Immerhin – was Freunde angeht,  fühlt sich Daniil in Câmpulung sehr wohl. Er und sein Freund Artem sind unzertrennlich, eine Freundschaft auf den ersten Blick, wie beide sagen. Bei Diana ist es ähnlich, und der dreijährige Bohdan spielt ohnehin den ganzen Tag mit den anderen Kindern.

Die Kinder der ukrainischen Familien haben sich schnell untereinander angefreundet und spielen miteinander (Quelle: Christian Nusch)

Die Kinder der ukrainischen Familien haben sich schnell untereinander angefreundet und spielen miteinander (Quelle: Christian Nusch)

„Wir haben hier Frieden und Sicherheit gefunden und müssen uns keine Sorgen mehr um unsere Kinder machen“, ist Kristina dankbar. Und dann möchten sie und ihr Mann noch etwas loswerden: „Wir wollen allen, die uns helfen, danken. Wir hatten nicht erwartet, dass alle so nett und hilfsbereit sind und man uns so freundlich empfängt. Dafür werden wir immer dankbar sein.“