Anna: „Wenn wir Spaß haben, vergessen wir den Krieg“

Zwei Kinder springen auf einem Trampolin herum (Quelle: Christian Nusch)

Anna und ihr Bruder Pavel hüpfen begeistert auf dem Trampolin im Garten des Projekts herum (Quelle: Christian Nusch)

„Wenn über die App Raketenbeschuss gemeldet wurde und die Sirenen losheulten, haben wir unsere Decken genommen und sind in den Bunker gegangen.“

Text: Katharina Nickoleit, Fotos: Christian Nusch

Die zehnjährige Anna aus der Ukraine erzählt das ganz nüchtern, aber ihr Blick verliert sich irgendwo in der Ferne, wenn sie an die Bombennächte in ihrer Heimatstadt Odessa denkt. „Dort saßen wir dann stundenlang zusammen mit vielen anderen Menschen. Wir hatten Angst, und die kleinen Kinder weinten.“

Und ihre Mutter Veronica ergänzt: „Irgendwann waren diese Nächte für uns alle schon Routine, wir begannen uns damit abzufinden, jede Nacht wach und in Angst zu verbringen. Aber dann schlug eines Nachts ganz in der Nähe eine Bombe ein. Es war ein furchtbarer Knall, und wir waren zu Tode erschrocken. Da beschloss ich, dass wir gehen müssen.“

Anna, ihr Bruder Pavel  und ihre Mutter im Caritas-Projekt in Câmpulung, das von der Kindernothilfe unterstützt wird (Quelle: Christian Nusch)
Anna, ihr Bruder Pavel  und ihre Mutter im Caritas-Projekt in Câmpulung, das von der Kindernothilfe unterstützt wird (Quelle: Christian Nusch)

„Ich vermisse meine Freunde“

Die 34-jährige Veronica packte das Nötigste für sich und ihre beiden Kinder zusammen und bestieg einen Bus des Roten Kreuzes, der sie über die Grenze nach Moldau brachte. Von dort schlugen sie sich weiter bis nach Rumänien durch und landeten schließlich bei der Caritas in Câmpulung, die sich mit Unterstützung der Kindernothilfe um geflüchtete ukrainische Familien kümmert. Nun wohnt die Familie seit bald einem halben Jahr in einer Pilgerherberge auf dem Gelände der katholischen Kirche.

„Hier haben wir Frieden und Ruhe gefunden. Und meine Kinder sind in Sicherheit. Das ist das Wichtigste“, meint Veronica. Denkt sie an zu Hause, sind die Sorgen groß. Der Vater der Kinder ist beim Militär und irgendwo an der Front.

„Wir vermissen ihn sehr“, sagen Pavel und Anna wie aus einem Mund. „Ich vermisse überhaupt alles von zu Hause“, fährt Anna fort, „mein ganzes Leben dort, meine Freunde, meine Katze. Aber ich bin sehr froh, dass wir jetzt in Sicherheit sind.“ 

 

Anna spielt gerne im Garten des Projektes (Quelle: Christian Nusch)

Anna spielt gerne im Garten des Projektes (Quelle: Christian Nusch)

 

Ob es in Odessa überhaupt noch ein Zuhause gibt?

Keiner weiß, wie lange die drei noch in der Fremde darauf warten müssen, dass der Krieg vorbei ist und sie nach Hause zurückkehren können. Und ob es dann überhaupt noch ein Haus gibt.

Während sie warten, tun sie das Einzige, was sinnvoll ist: sich in Câmpulung vorübergehend einen Ort zu schaffen, der zwar kein Zuhause sein kann, aber an dem sie sich zumindest etwas heimisch fühlen. Veronica arbeitet in der Küche des zum Projekt gehörenden Restaurants und lernt Rumänisch.

Anna lernt in der Schule Rumänisch – hinter ihr ihre Freundin Margot, die in der Ukraine Kunstturnerin war (Quelle: Christian Nusch)

Anna lernt in der Schule Rumänisch – hinter ihr ihre Freundin Margot, die in der Ukraine Kunstturnerin war (Quelle: Christian Nusch)

Ihre Kinder lernen ebenfalls Rumänisch und gehen hier nun trotz aller Sprachbarrieren zur Schule. Anna zähmt ein paar halbwilde Straßenkatzen, die sich inzwischen von ihr streicheln lassen. Und sie hat eine beste Freundin gefunden. Sie und die elfjährige Margot sind unzertrennlich und teilen alle Geheimnisse. „Wenn wir zusammen sind und Spaß haben, vergessen wir den Krieg. Dann sind wir manchmal einfach nur fröhlich, und das ist toll.“    

 

Anna und ihre beste Freundin Margot (Quelle Christian Nusch)

Anna und ihre beste Freundin Margot (Quelle Christian Nusch)