Ivan aus der Ukraine: „Das hier ist ein guter Ort, weil hier keine Bomben fallen“
„In Odessa konnten wir nicht bleiben“, erzählt Ivans Mutter Elena der deutschen Journalistin Katharina Nickoleit, die für die Kindernothilfe nach Rumänien gekommen ist. „Jeden Tag Alarm, Tiefflieger, Bomben. Wir hatten einfach ständig Angst und wollten so schnell wie möglich weg.“ Elena ist Russin. Aber sie wollte mit ihrem Sohn nicht nach Russland zu ihren Eltern fliehen: „Mein Mann meinte, es sei zu unsicher, ob er uns wiedersehen würde, wenn wir einmal über die Grenze sind.“
Text: Katharina Nickoleit, Fotos: Christian Nusch
Als das Rote Kreuz über Facebook einen Flüchtlingstransport nach Rumänien ankündigte, meldete Elena ihren Sohn und sich an. Eine Woche dauerte es, bis sie über Moldau und mehrere Stationen in Rumänien schließlich in Câmpulung eintrafen. Alles, was sie dabeihatten, waren ein Koffer und eine Tasche. An die Reise erinnert sich Ivan nur ungerne. „Die Reise war lang und unbequem, und ich konnte nicht schlafen, weil ich Angst hatte. Ich wusste ja nicht, was uns erwartet.“
Ivan vermisst seinen Vater, seine Katze und seinen Hund
Ende März erreichten Ivan und seine Mutter schließlich ihren Zufluchtsort: das Pilgerhaus auf dem Gelände der katholischen Kirche von Câmpulung, wo sich die Caritas mit Unterstützung der Kindernothilfe um geflüchtete ukrainische Familien kümmert. „Die Leute hier sind sehr nett und haben uns mit offenen Armen willkommen geheißen“, meint seine Mutter. Und Ivan sagt „Es ist ein guter Ort, weil es ruhig und friedlich ist und keine Bomben fallen.“
Ivan und seine Mutter wohnen in einem sauberen, frisch renovierten kleinen Apartment, in dem jeder sein eigenes Zimmer hat. „Wir haben alles, was wir brauchen und sind sehr dankbar dafür! Aber es ist trotzdem kein Zuhause“, sagt Mutter Elena. Ivan möchte am liebsten so schnell wie möglich wieder nach Hause nach Odessa, auch wenn dort Bomben fallen. „Ich vermisse meinen Vater, meine Katze und meinen Hund. Und ich habe den Kontakt zu meinen Freunden verloren.“
Immerhin hat Ivan hier im Projekt neue Freunde gefunden. Die insgesamt 16 Kinder, die hier untergekommen sind, sind eine enge Gemeinschaft, die ihre Sorgen, aber auch ihre Freude miteinander teilt. So schwer Ivan die Trennung von allem, was ihm daheim lieb ist, auch fällt, er wird noch eine Weile durchhalten müssen.
„Vielleicht ist das alles für etwas gut“
„Ich telefoniere täglich mit meinem Mann“, erzählt Mutter Elena, „und er sagt, dass Odessa noch immer fast täglich unter Beschuss steht. Zurückzukehren ist noch zu gefährlich.“ Ivan und seine Mutter haben keine andere Wahl: Sie müssen das Beste aus ihrer Situation machen. Elena hat einen Job in der Küche des Caritas-Restaurants angenommen. Ivan lernt die lateinische Schrift. Wenn er nun in die 3. Klasse kommt, gibt es keinen ukrainischen Onlineunterricht mehr, sondern er muss in die rumänische Schule in Câmpulung gehen. „Wer weiß, vielleicht ist das ja alles auch für etwas gut“, spricht die Mutter sich und ihm Mut zu.
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