Benjamin (15) besucht Kinder und ihre Familien in Ecuador und Peru

Die Reisegruppe aus Deutschland mit Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeitern in Ecuador

Ich heiße Benjamin Borchardt und komme aus Wuppertal. Ich war in diesem Jahr mit einer Reisegruppe in Ecuador und Peru und habe dort Projekte der Kindernothilfe besucht. Meine Schule hat mir erlaubt, diese Reise als Praktikumseinsatz zu machen.

Während des Social Day 2019 war ich bei der Kindernothilfe in Duisburg, wo der Leiter des Referats Lateinamerika, Herr Schübelin mich auf diese Reise vorbereitet hat. Er hat mir gesagt, dass viele der Kinder, die wir in Ecuador und Peru treffen werden, ganz viel Gewalt erfahren haben und dass sie sehr arm sind. Er hat mir gesagt, dass ich immer zu ihm kommen kann, wenn ich etwas nicht verstehe oder wenn ich Angst bekommen sollte. Es war schön, dass Lennart Schramm mit dabei war. Er ist ist ein Jahr jünger als ich und kommt aus Köln. Er macht auch gern Sport und spielt gern Fußball. Kindernothilfe-Redakteurin Guni Aiyub hat mir einige Fragen gestellt, weil sie hier auf der Robinson-Webseite ein Interview mit mir veröffentlichen wollte.

Benjamin, du hast dir ja wahrscheinlich vor der Reise Fotos angeschaut von den Orten, die ihr besucht habt. Aber es ist ein riesengroßer Unterscheid, etwas auf Bildern zu sehen und dann in Wirklichkeit zu erleben. Wie war das für dich? Was hättest du so nicht erwartet?

Ich hatte es mir schöner vorgestellt, ein bisschen wie Urlaub. Für mich waren die Lebensbedingungen der Kinder in Peru und Ecuador krass und schockierend, vor allem in dem Armenviertel „Nigeria“ (das liegt am Rande von Guayaquil, in Ecuador), wo die Kinder in ganz kleinen Häusern direkt am schlammigen Flussufer leben müssen.

Und in Lima, wo es den ganzen Tag über neblig, feucht und kalt war und die Kinder, die uns mit nach Hause genommen haben, mitten an einem steilen Hang in Häusern aus Holz oder angemalter Presspappe leben, manchmal ohne Fußböden. Auch dass eine Familie mit einem behinderten Kind in einer Garage leben muss, nachdem der Vater nach einem Unfall seine Arbeit verloren hat, hat mich traurig gemacht.

In Lima ist es den ganzen Tag nebelig und kalt.

Wenn du dein Leben mit Gleichaltrigen vergleichst, die du getroffen hast – was würde dir an ihrer Stelle am meisten fehlen?

Am meisten fehlen würden mir die moderneren Sachen, gut gebaute Häuser und die Technik, die ich zu Hause habe: immer WLAN, wann ich es brauche, meine Boombox, damit ich laut Musik hören kann, Strom, damit ich mir selber etwas kochen kann, immer Wasser zum Trinken oder Duschen. Ich war überrascht, dass viele von den Kindern auch Handys hatten, mit denen sie gemeinsame Fotos mit Lennart und mir gemacht haben. Handys sind in Lateinamerika viel leichter zu bekommen als Festnetztelefone und oft die einzige Möglichkeit, um untereinander im Kontakt zu bleiben. Was mir auch fehlen würde, wäre meine Kleidung, denn viele Kinder in den Schulen tragen eine Schuluniform.

Die Menschen, die hier in diesem Armenviertel in Lima leben, müssen unglaublich steile Treppen hinauf- und hinuntersteigen.

Du hast bestimmt auch mit Jugendlichen gesprochen – worüber?

Vor allem in den Schulen in Pallatanga in Ecuador und in Lima haben wir mit Jugendlichen gesprochen. Die meisten haben mich nach meiner Herkunft und nach meinem Alter gefragt. Viele haben sich gewundert, dass ich mit meiner dunklen Hautfarbe aus Deutschland komme. Die Kinder haben nach unseren Hobbys gefragt. Viele von ihnen machen selber gern Sport. Die Jungen spielen gern Fußball. In Lima haben die Kinder sehr viel darüber gesprochen, was sie in der Schule machen und wie sie noch Geld für die Familie dazuverdienen müssen. Einige von den Kindern, die in der Schule Kuchen backen, verkaufen den Kuchen nachmittags und verdienen sich etwas Geld. Andere verkaufen süße Sachen im Kiosk der Schule nur, wenn die Schüler gleichzeitig auch Gesundes kaufen.

Die Mädchen dieser Schule in einem Vorort von Lima lernen backen.
 

Könntest du dir vorstellen, jeden Tag arbeiten zu müssen?

Ich bin froh, dass ich nicht jeden Tag arbeiten muss wie viele der Kinder in Lima, die sogar noch Geld für die Miete oder das Essen in der Familie dazu verdienen müssen. Ich könnte keine zwei Wochen so leben wie die Kinder in Ecuador oder Peru. Nach der Woche in Peru habe ich noch eine Woche Praktikum bei einem Dachdecker in Wuppertal gemacht. Das hat gut geklappt, aber es war ganz schön anstrengend, und ich war abends ziemlich müde.

Viele Familien leben in großer Armut.

Wieso müssen Kinder, die in einem Kindernothilfe-Projekt sind, trotzdem arbeiten?

Was hat dir an den Kindern und Jugendlichen imponiert?

Am meisten imponiert hat mir, wie gut gelaunt sie waren und wie viel Spaß sie mit uns hatten. Sehr imponiert hat mir der Schülersprecher aus der Schule in Pallatanga, weil der ganz frei mit den Erwachsenen reden konnte. Und ein ganz kleines Mädchen, das durch das Programm geführt hat. Auch in der Schule in Lima waren ein Junge und ein Mädchen, die sich viel für ihre Mitschüler einsetzen.

Du hast ja nicht einfach nur eine Reise gemacht, sondern ein Praktikum – wie sah das aus? Hast du auch im Projekt mitgeholfen?

Die Woche in Ecuador und Peru war natürlich etwas anderes als mein Praktikum bei einem Dachdecker in Wuppertal in der Woche danach. Immerhin musste ich in beiden Fällen immer früh aufstehen, beim Dachdecker immer um sechs Uhr, in Peru und Ecuador manchmal noch früher, um rechtzeitig bei den Projekten zu sein. Wir haben viel zugehört und viel gelernt. Dafür konnte ich beim Dachdecker mehr aktiv machen.
In Pallatanga haben wir mit den Schülern geredet. Das ging mit den Übersetzungen von Jürgen Schübelin und Maren Cruz Wallens ganz gut. Anschließend habe ich einigen von den Jungen gezeigt, wie man Handball spielt. Handball kennen die Kinder in Ecuador gar nicht. Sie spielen aber gern Fußball.
In Guayaquil und in Lima haben wir mit den Jugendlichen Fußball gespielt. Und am Morgen haben wir in der Schule in Lima den Kindern, die zu Hause morgens nicht zu essen bekommen, das Frühstück von der Schulküche in den Speisesaal gebracht. Für Lennart und mich war es besonders, dass wir von den Erwachsenen in der Reisegruppe voll akzeptiert wurden. In der Abschlussbesprechung der Gruppe konnten wir ganz offen unsere Meinung sagen und haben dafür positive Kommentare bekommen.

Benjamin beim Schuss aufs Tor

Nachdem du Mädchen und Jungen getroffen hast, die in ganz anderen Verhältnissen leben als wir – siehst du dein Leben in Deutschland jetzt mit anderen Augen?

Wenn ich heute Filme mit Kindern aus Südamerika oder Afrika sehe, kann ich sie nach dem Besuch viel besser verstehen. Ich glaube aber nicht, dass sich jetzt in meinem Leben in Deutschland viel verändern wird. Ich habe mir vorgenommen, dem Jungen aus Sri Lanka, mit dem wir eine Patenschaft haben, mal wieder zu schreiben. Außerdem habe ich ein bisschen mehr von der Arbeit verstanden, die mein Vater bei der Kindernothilfe macht.