Honduras: Julia flüchtete auf Pick-ups, in Kofferräumen und zu Fuß

Julia (l.) mit ihrer Schwester (3. v. l.), ihrer Oma und drei weiteren Enkeln (Quelle: Christian Nusch)

Hola, ich bin Julia, 11 Jahre alt und lebe in Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras. Das ist ein kleines Land in Mittelamerika.

Die meisten Familien hier sind sehr arm, wir auch. Meine zwei Geschwister und ich wohnen bei unserer Oma. Sie kümmert sich noch um drei weitere Enkelkinder – das sind sieben Leute in einer winzigen Hütte! Das Leben hier ist sehr gefährlich, es gibt viele kriminelle Banden, die mit Drogen handeln. Alle haben Angst vor ihnen, weil sie Leute umbringen. Jeden Monat versuchen Tausende Menschen, in die USA zu flüchten. Auch wir haben es versucht …

Text: Katharina Nickoleit/Guni Aiyub, Fotos: Christian Nusch

Straße in einem Armenviertel on Tegucigalpa/Honduras (Quelle: Christian Nusch)

Straße in einem Armenviertel on Tegucigalpa/Honduras (Quelle: Christian Nusch)

Einmal, als Mama noch bei uns war und wir unsere eigene Hütte hatten, saßen wir vor dem Fernseher und sahen, dass sich Menschen versammelten, um gemeinsam zu flüchten. Da sagte Mama: „Packt eure Sachen, wir gehen nach Norden.“ Norden bedeutet, wir mussten zuerst durch Guatemala reisen und dann durch ganz Mexiko bis an die Grenze zu den USA. Drei Jahre ist das jetzt her. Ich war erst acht Jahre alt und noch nie aus Honduras herausgekommen.

Die Flucht war echt schrecklich! Oft waren wir mehr als eine Stunde in Kofferräumen eingesperrt. Wir durften nicht geschnappt werden, wir hatten ja keine Papiere fürs Ausland. Also haben uns Leute, die wir vorher dafür bezahlt hatten, ein Stück des Weges mit Autos gefahren. Wir mussten aber auch sehr viel laufen. Manchmal haben uns die Füße furchtbar wehgetan. Einmal bin ich gefallen, als ich auf einen Pick-up aufspringen wollte, und habe mich am Rücken verletzt. Oft mussten wir um Essen betteln, weil wir kein Geld mehr hatten.

Die elfjährige Julia (Quelle: Christian Nusch)

Die elfjährige Julia (Quelle: Christian Nusch)

Und alles war umsonst! In Mexiko hat uns die Polizei erwischt und zurückgeschickt.

Aber hier in Honduras hatten wir absolut nichts mehr! Mama hatte vorher unsere Hütte verkauft, wir waren jetzt noch ärmer als vorher. Um Geld zu verdienen, sah Mama keine andere Möglichkeit, als sich sofort wieder auf den Weg in die USA machen. Uns ließ sie bei unserer Oma zurück.

Von Mama haben wir seit Monaten nichts mehr gehört, das macht uns Angst! Aber die Organisation Casa Alianza wurde auf uns aufmerksam. Sie kümmerte sich darum, dass wir den verpassten Schulstoff nachholen konnten. Sie besorgte Oma einen Ofen, in dem sie Snacks backen kann. Die verkaufen wir Kinder nach der Schule auf der Straße – das Geld reicht für unser Leben, ohne dass wir die Schule aufgeben und den ganzen Tag arbeiten müssen. Denn ohne Schulabschluss würden wir später arm sein wie Mama.

Casa AlianzaLetzte Zuflucht: Casa Alianza

Seit mehr als 40 Jahren engagiert sich die Kindernothilfe aus Duisburg für Mädchen und Jungen in Honduras – seit 2003 unterstützt sie die Organisation Casa Alianza dabei. Drogenbanden in Honduras versuchen, Jugendliche aus armen Familien anzuheuern, damit sie für sie arbeiten. Sie versprechen ihnen dafür viel Geld. In Wirklichkeit müssen sie stehlen, Drogen schmuggeln, Menschen umbringen. Casa Alianza schützt sie vor den Banden, bringt sie notfalls in Sicherheit und hilft ihnen, zur Schule zu gehen. Die Organisation ist besonders auch für Familien da, deren Flucht in die USA vergeblich war und die abgeschoben nach Hause auf der Straße stehen, weil sie kein Zuhause mehr haben.