Rohingya-Kinder im größten Flüchtlingslager der Welt

Eine Million Rohingyas sind vor Tod, Gewalt und Zerstörung in ihrer Heimat Myanmar geflohen – mehr als die Hälfte von ihnen sind Kinder.

Das Rohingya-Volk wird von den Menschen in Myanmar nicht akzeptiert. Myanmaren sind hauptsächlich Buddhisten, die Rohingyas Muslime. Rohingyas bekommen keinen Pass und sind deshalb keine gleichwertigen Bürger des Landes wie die Einheimischen. 2017 griffen myanmarische Soldaten die Dörfer der Rohingyas an, sie brannten die Häuser nieder und ermordeten Männer, Frauen und Kinder. Eine Million Menschen flüchtete. Die meisten leben jetzt im größten Flüchtlingslager der Welt, in Cox’s Bazar im Nachbarland Bangladesch. Karl Andersson, ein Mitarbeiter unserer weltweiten Partnerorganisation AMURT, hat mit Rohingya-Kindern gesprochen.

Hassan spricht mit dem Doktor.

Hassan hat Angst, zurückgeschickt zu werden

Hassan (9) und seine Familie sind vor 14 Monaten von Myanmar nach Bangladesch geflohen. Sein Vater war dort Fischer und hat nicht viel verdient. Hassan ist unterernährt – das hat sich auch auf sein körperliches Wachstum ausgewirkt: Auf seinen Beinen kann er kaum richtig stehen.

Hassan leidet sehr unter den Erinnerungen an die Gewalt, die seine Familie in Myanmar erlebt hat. Selbst zwischen Kindern, die Ähnliches erlebt haben, fühlt er sich minderwertig. Der Junge besucht eines der neun Kinderzentren, die die Kindernothilfe mit ihrer Partnerorganisation AMURT in Cox’s Bazar eröffnet hat. Die Mitarbeiter sorgten dafür, dass seine körperlichen Beschwerden im Krankenhaus behandelt werden.

Aber auch Hassans Seele, sein Denken und Fühlen sind durch die schrecklichen Erlebnisse krank geworden. Kleine Probleme machen ihn schnell wütend. Im Kinderzentrum arbeitet deshalb ein Arzt mit ihm, der sich mit solchen Krankheiten auskennt. Inzwischen freut sich Hassan auf jeden Besuch von dem Arzt.

Er weiß, dass Bangladesch nicht seine Heimat ist und dass die Behörden ihn jederzeit nach Myanmar zurückschicken können. Das macht ihm Angst: „Wenn wir zurückkehren, werden sie uns töten!“ Dennoch versucht er positiv zu denken: „Ich fühle mich gut, wenn ich ins Zentrum komme. Ich spiele gerne, zeichne Bilder und bekomme Obst und Snacks. Und alle passen gut auf mich auf.“

Amal besucht gerne den Unterricht im Kinderzentrum.

Amal besucht gerne den Unterricht im Kinderzentrum.

Amal vermisst das Essen aus ihrer Heimat

Amal (12) ging in Myanmar in die 4. Klasse. Ihre Mutter ist vor sechs Monaten gestorben. Sie hatte sich immer große Sorgen um die Zukunft der Familie gemacht. Die vielen schlaflosen Nächte im Camp und ihr hoher Blutdruck waren zu viel für sie. Die Ärzte im Krankenhaus konnten sie nicht mehr retten.

Amal vermisst ihre Mutter und das Leben in Myanmar. Dort hatte sie viele Freunde, und in ihrem Dorf wohnten zahlreiche Verwandte. Was ihr hier besonders fehlt, ist das Essen aus Myanmar. „ Wir haben zu Hause frischen Fisch und Trockenfisch gegessen“, schwärmt sie, „besondere Früchte und Kartoffeln. Die schmeckten viel besser als das Essen in hier.“

Amal mag das Kinderzentrum der Kindernothilfe und AMURT. „In unserer Hütte ist es so eng! Hier im und um das Zentrum herum gibt es viel Platz, wir sind geschützt durch einen Bambuszaun und jeder kümmert sich um uns.“

Amal möchte einmal Ärztin werden, um kranken Menschen wie ihrer Mutter helfen zu können.

Salima kann endlich mit Gleichaltrigen lernen

Salima (12) geht jeden Tag mit ihren jüngeren Brüdern ins Zentrum. Ihr Vater hat in Myanmar Geld verdient, indem er eine Rickscha gezogen hat.

Salima hatte in Myanmar keine Chance gehabt, zur Schule zu gehen. Als sie eingeschult werden sollte, war sie schwerkrank. Als sie Jahre später wieder gesund war, nahmen die Eltern Kontakt zu einer Grundschule auf. Da sie aber bereits älter als sieben Jahre war, lehnte die Schule eine Einschulung ab. Nach Jahren entschied die Schulleitung plötzlich, dass sie jetzt doch zum Unterricht kommen könnte, und zwar in die erste Klasse. Dann wäre sie mit ihrem kleinen Bruder in einer Klasse gewesen, und sie selbst war schon zehn! Das war ihr dann doch zu peinlich.

Salima und ihr Bruder werden von einem Mitarbeiter unserer Partnerorganisation interviewt.

Im Kinderzentrum der Kindernothilfe und ihrem Partner AMURT freut sie sich auf den Unterricht. „Hier kann ich mit Kindern spielen und lernen, die genauso alt sind wie ich. Ich hätte gerne Bücher, Stifte und eine Schultasche. Und ich möchte später gerne Lehrerin werden!“

Hamid lernt praktische Dinge

Hamid (10) kommt mit zwei Brüdern und einer Schwester ins Kinderzentrum der Kindernothilfe und AMURT. Hamids Vater hatte in Myanmar als Maurer gearbeitet. Seine Eltern hatten keine gute Schulbildung bekommen, weil auch ihre Eltern arm waren. Deshalb konnten sie auch für ihre Kinder keinen Schulbesuch bezahlen. Sie sind sehr glücklich, dass ihre Kinder im Zentrum lernen können.

Hamid sagt: „Wir alle mögen das Kinderzentrum! Besonders toll sind die Momente, wo die Mitarbeiter mit uns Entspannungsübungen machen. Und wir lernen viele praktische Dinge – z. B. wie wir Lebensmittel richtig waschen und haltbar machen können oder wie wir sicher eine Straße überqueren. In der Schule in Myanmar haben wir solche Dinge nie gelernt. Und es gab auch keine Snacks, obwohl wir alle einen weiten Schulweg hatten.”

Hamid möchte bei einer Nichtregierungsorganisation arbeiten, um Menschen zu helfen.

Hamid und seine Familie. Die gelbe Paste im Gesicht seiner Schwester ist „Thanaka“: Sie stammt von der Rinde des Thanaka-Baums und wird in Myanmar als Sonnencreme verwendet. 

Kinderzentrum in Cox’s Bazar

Kinderzentren

Die Kindernothilfe ist seit 2017 in Cox’s Bazar mit Partnerorganisationen aktiv. Sie bohnen Brunnen und bauen Toiletten. Ganz wichtig ist der für Bildung und den Schutz von Kindern. Jedes vierte Kind ist mit den schlimmen Erlebnissen der vergangenen Monate völlig überfordert und braucht dringend Hilfe. In neun Kinderzentren finden 600 Jungen und Mädchen, die in ihrer Seele verletzt wurden, Unterstützung und Sicherheit. Darüber hinaus führen wir Kindesschutzschulungen durch. Wir sind die einzige Organisation, denen der bangladeschische Staat diese Workshops genehmigt hat. Alle anderen Organisationen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, müssen diese Schulungen durchlaufen.