Projektbeispiel Peru: Hilfe für Kinderarbeit in Ziegeleien

Die Hände rissig, die Füße entzündet – und der Kopf zu müde zum Lernen und Spielen: Kinder aus armen Familien schuften schon im Grundschulalter täglich in den Ziegeleien Perus.

Ein Partner der Kindernothilfe bietet den Kindern und ihren Eltern Auswege aus dem Elend.

Text und Fotos von Christian Herrmanny, stellvertretender Pressesprecher

Samstag früh, die Sonne ist gerade aufgegangen über den Hügeln Cajamarcas, und Margarita macht sich auf den Weg zur Arbeit. Es ist bitterkalt um diese Tageszeit im Hochland von Peru. Mit schnellen Schritten läuft die Neunjährige zu ihrer Arbeitsstätte, in der sie jeden Tag schuftet: einer von rund 50 Ziegeleien im Tal außerhalb der Stadt Cajamarca. Nach dem Schulunterricht ist sie hier, und am Wochenende – von morgens bis nachmittags. „Ich fühle mich sehr schlecht“, erzählt Margarita, „weil es so ermüdend ist. Die Arbeit ist langweilig und auch schwer, weil wir die Ziegel tragen müssen, und das ist alles sehr traurig.“

Ihre Schicht beginnt mit dem Schippen von Kalk. Das Gestein wird weiter oben in den Bergen abgebaut – auch hier sind Kinder beschäftigt. Die Kalksteine rollen lange Rutschbahnen hinab, werden im Tal weiter zerkleinert und von den Kindern mit dem lehmigen Boden und viel Wasser vermischt. Überall stehen Kinder in Margaritas Alter mit Schippen und großen Holzformen. Sie pressen die schwere Masse in die Ziegelformen und legen die Ziegel dann zum Aushärten unter ein riesiges Sonnendach. Abertausende Steine lagern hier – für Kunden in der Stadt.

Die Arbeit ist schwer, aber kein Kind beschwert sich

Inzwischen ist es Mittag und heiß. Die Mädchen und Jungen schwitzen. Zwölf Kinder schuften neben einigen Erwachsenen regelmäßig in dieser Ziegelei. Außerdem unterstützen zwei junge Stiere die Menschen beim schweren Stampfen der Ziegelerde. Für die Kinder ist das Waten durch die lehmige Masse nicht nur mühsam, sondern auch gesundheitsschädlich: Die Haut wird rissig und entzündet sich. Nicht selten sind Nierenentzündungen die Folge. Aber jammern will hier niemand, immerhin verdienen die Sieben- bis Vierzehnjährigen an einem halben Tag umgerechnet 1,60 Euro. Geld, das die Familien dringend brauchen, um über die Runden zu kommen.

wissen-projekt-peru-herrmanny-knh108005_preview_webMargaritas Mutter hat nie eine Schule besucht, deswegen bekommt sie nur schlecht bezahlte Arbeit. Sie wäscht Kleidung für die Stadtbewohner, züchtet ein paar Schafe, Hühner und Meerschweinchen. Aber das Geld reicht nicht für die Familie. Sie weiß, wie wichtig Bildung ist, um der Armut zu entkommen, deshalb schickt sie Margarita zur Schule, auch wenn die Kosten für Bücher und Schuluniform hoch sind und das Mädchen nicht zuletzt deshalb tagtäglich arbeiten gehen muss.

Margarita und ihre Freundin stapeln ungebrannte Lehmziegel im Brennofen. (Quelle: Christian Herrmanny)In der Ziegelei macht eine Flasche Wasser die Runde – aber eine Pause gibt es noch nicht. Zunächst müssen Margarita und ihre kleinen Kolleginnen und Kollegen Ziegelsteine mit Schubkarren zum Ofen fahren und dort stapeln. Die Atmung der Kinder ist laut und angestrengt: Jeder Stein wiegt über zwei Kilogramm, und die Schubkarre will und will nicht leer werden. Die Oberfläche der Ziegel ist rau, die Grate am Rand fügt den kleinen Händen blutige Risse zu. „Mir tut die Hüfte weh und die Augen schmerzen, weil es viel Staub gibt. Auch meine Hände tun mir weh, weil ich die Ziegel tragen muss. Und meine Beine schmerzen, weil ich den ganzen Tag hin- und herlaufen muss“, erzählt Margarita. Doch aufgeben kann sie die Arbeit nicht, weil sie sich für die Familie verantwortlich fühlt: „Ich muss meiner Mama helfen, damit wir Geld für unsere Ernährung und Kleidung haben und damit meine Geschwister und ich in die Schule gehen und die ganzen Materialien dort bezahlen können.“

Wenn Eltern mehr Geld verdienen, müssen Kinder nicht arbeiten

Frauen können in der Bäckerei des Kindernothilfe-Partners arbeiten. (Quelle: Christian Herrmanny)Die Kindernothilfe und ihr Partner IINCAP „Jorge Basadre“ stehen den arbeitenden Kindern schon seit Jahren zur Seite. Sie schulen Mütter in Lesen, Schreiben und Rechnen, sie geben ihnen Kredite, damit sie z. B. einen kleinen Laden aufmachen oder in der von IINCAP eingerichteten Backstube mitarbeiten können. Damit sinkt die Notwendigkeit, dass die Kinder weiterhin in den Ziegeleien schuften müssen.

IINCAP bezahlt auch für viele arbeitende Kinder rund um Cajamarca die Schulbücher und -uniformen, übernimmt Examensgebühren und gibt kostenlosen  Nachhilfeunterricht. Die Organisation bietet Kurse an, die den Kindern beibringen, dass sie Rechte haben, die ihr Selbstbewusstsein und ihre Kreativität fördern. Spielerisch lernen die Kinder, wie sie ihre Rechte einfordern können. Und ältere Jugendliche erhalten Unterstützung bei der Berufsausbildung.

wissen-projekt-peru-herrmanny-knh107227_preview_webKinderarbeiter haben keine Zeit zum Spielen

Im Steinbruch ist die Mittagspause zu Ende. Der Brennofen soll bald wieder Tausende Ziegel härten, er muss bis oben gefüllt werden – ein gefährlicher Knochenjob für die Mädchen und Jungen. „Die Arbeit dauert Stunden und ist schwer, da kann ich nicht mehr für die Schule lernen und auch nicht mehr spielen oder Zeit mit meiner Familie verbringen“, sagt Margarita. Neben Traurigkeit mischt sich Trotz in ihre Stimme. Margarita hat Pläne für ihr Leben und klare Ziele: „Ich möchte doch unbedingt Lehrerin werden.“ IINCAP und die Kindernothilfe werden ihr zur Seite stehen.

Robinson-Figur. (Quelle: Peter Laux)